50 Jahre Verbrechensopfergesetz

9.7.2022 / Am 9. Juli 1972 – also vor genau 50 Jahren – beschloss das österreichische Parlament die erste Fassung des Verbrechensopfergesetzes (VOG). Damit wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der bis heute läuft. Gemeinsam mit anderen Opferhilfe-Einrichtungen leistet der WEISSE RING seit seiner Gründung im Jahr 1978 einen aktiven Beitrag zu dieser Entwicklung. Die Geschichte des WEISSEN RINGS ist untrennbar mit der Entstehung von Opferrechten und deren Verankerung in Strafgesetzbuch und Verbrechensopfergesetz verbunden.

Die Bedeutung von Opferrechten und VOG

Das VOG ist darauf ausgerichtet, vor allem Opfer von schweren Delikten zu unterstützen, die unter gravierenden Folgeschäden leiden. Um Leistungen nach dem VOG erhalten zu können, muss das Opfer eine schwere körperliche oder gleichwertige psychische Verletzung erlitten haben.

„Opfer von Gewalt zu werden kann das Leben Betroffener völlig verändern. Die Möglichkeit Hilfe zu erhalten hat großen Einfluss darauf, wie es nach einem derartigen Ereignis weiter geht. Besonders hilfreich ist dabei, dass wir in unserer Arbeit auf im VOG gesetzlich verankerte Opferrechte zurückgreifen können.“

Natascha Smertnig, Geschäftsführerin WEISSER RING

Das VOG sieht für Anspruchsberechtigte so unterschiedliche Leistungen wie die Bezahlung von Krisenintervention und Psychotherapie sowie den Ersatz beschädigter Brillen, Hörbehelfe oder Zahnersatz vor. Gegebenenfalls kann auch der Ersatz von Verdienstentgang eingefordert werden, wenn das Opfer aufgrund der erlittenen Verletzungen seinen Beruf nicht mehr ausüben kann.

Eine bemerkenswerte Entwicklung

„Die Rechte von Kriminalitätsopfern haben in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen.“

Lyane Sautner, Vizepräsidentin WEISSER RING

In der ersten Fassung des VOG im Jahr 1972 ging es vor allem darum, für Opfer schwerer Körperverletzungen den Anspruch auf medizinische Behandlung sicherzustellen. In weiterer Folge ergriffen vor allem Organisationen wie der WEISSE RING und die Frauenhäuser die Initiative zur Weiterentwicklung des VOG. Opferrechte fanden auch in anderen Gesetzesmaterien – vor allem in der Strafprozessordnung – Eingang. Der Blick auf die Opfer von Gewalt wandelte sich. Aus Zeugen und Zeuginnen wurden Betroffene mit gesetzlich verankerten Rechten. So wurden 1999 die Ansprüche von Opfern vorsätzlicher Körperverletzung sowie von Angehörigen Getöteter erweitert. Besonders hervorzuheben ist dabei der Anspruch auf Psychotherapie. 2009 wurde der Schmerzengeldvorschuss (Pauschalentschädigung für Schmerzengeld) eingeführt. Seither haben Opfer schwerer Körperverletzung Anspruch auf einen entsprechenden Vorschuss durch die Republik.

In diversen Novellen des VOG wurde unter anderem der Kreis der Anspruchsberechtigten schrittweise erweitert. Beispielsweise sind seit 2005 auch Drittstaatsangehörige anspruchsberechtigt. 2013 erfolgte die Aufnahme von „Schockgeschädigten“. Auch für Hinterbliebene getöteter Personen sieht das VOG Leistungen vor.

Seit 2005 besteht die Möglichkeit, negative Bescheide mittels Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und in weiterer Folge vor dem Verwaltungsgerichtshof anzufechten.

Die Europäische Perspektive

Mit dem Rahmenbeschluss des Rates der europäischen Union im Jahr 2001 erhielt die Entwicklung der Opferrechte auch einen gesamteuropäischen Rahmen. Im Jahr 2012 wurde dieser Beschluss durch die EU-Opferschutz-Richtlinie ersetzt.

Ausblick

„Wir vom WEISSEN RING sehen in der täglichen Arbeit mit Betroffenen immer wieder, wo noch Verbesserungsbedarf besteht.“

Udo Jesionek, Präsident WEISSER RING

„Wir vom WEISSEN RING sehen in der täglichen Arbeit mit Betroffenen immer wieder, wo noch Verbesserungsbedarf besteht“, erläutert Udo Jesionek, Präsident WEISSER RING. „Deshalb sind wir sehr froh, dass aktuell eine Evaluierung des VOG stattfindet. Ich hoffe sehr, dass hier die Gelegenheit genutzt wird, die EU-Opferschutz-Richtlinie zur Gänze umzusetzen und unter anderem den nach wie vor offenen Punkt der Datenweitergabe an Opferhilfe-Einrichtungen neu zu regeln.“ Derzeit leitet die Polizei gemäß § 56 Abs. 1 Z 3 SPG in allen Fällen, in denen Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden, die Daten an die zuständigen Interventionsstellen bzw. Gewaltschutzzentren weiter. Eine analoge Bestimmung für Opfer situativer Gewalt fehlt trotz des ausdrücklichen Auftrags von Artikel 8 der EU-Opferschutz-Richtlinie nach wie vor. Dadurch erfahren Betroffene oft zu spät oder gar nicht von ihren Rechten und können diese auch nicht wahrnehmen.

„Die Weiterentwicklung des VOG sollte außerdem auf jeden Fall die besondere Situation von Terroropfern berücksichtigen – sowohl was die Höhe der Leistungen betrifft als auch hinsichtlich der Opferdefinition. Darüber hinaus erscheint es uns wichtig, dass auch jene Vergewaltigungsopfer in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen werden, die keine schweren körperlichen Verletzungen erlitten haben“, ergänzt Udo Jesionek. Neben weiteren Punkten wie dem Ersatz der Kosten von Tatortreinigung ist vor allem eine Evaluierung und Anpassung der Höhe der im VOG vorgegebenen Entschädigungen dringend

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WEISSER RING Verbrechensopferhilfe

Der WEISSE RING stellt Opfer von Straftaten mit ihren Bedürfnissen und Interessen ins Zentrum seiner Arbeit. Er ist gesetzlich als einzige allgemeine Opferhilfe-Einrichtung Österreichs anerkannt. Opferhilfe durch den WEISSEN RING ist für Betroffene kostenlos. Sie reicht vom Erstgespräch über die Beratung bis hin zu finanzieller Hilfe in besonderen Notfällen und Vorfinanzierung von gesetzlichen Leistungen. Der 1978 gegründete, gemeinnützige Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Opfer von Straftaten zu begleiten und zu unterstützen, über Opferrechte zu informieren und sich sowohl für die Einhaltung als auch für die Weiterentwicklung von Opferrechten einzusetzen. Darüber hinaus wird zu aktuellen Themen der Viktimologie und Opferrechte geforscht und publiziert. Außerdem setzt der WEISSE RING Projekte im Bereich der Opferhilfe um.

Meilensteine der Entwicklung im Überblick

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