Man kann uns im Moment nicht die Hand schütteln und wir begleiten derzeit niemanden zu Gericht. Dennoch sind wir – ununterbrochen – für Opfer von Straftaten erreichbar.
Am Opfer-Notruf 0800 112 112 sind immer Kolleg*innen erreichbar, die sich nicht nur zu Fragen von Opferrechten auskennen, sondern auch Ausbildung und Erfahrung darin haben, entlastende Gespräche zu führen und das Richtige zu sagen und zu tun, wenn jemand nicht mehr weiter weiß. Eine Krise bedeutet in der Psychologie ja auch, dass sich eine Person oder Gesellschaft im Alltag Hindernissen gegenübersieht, die sie nicht mit den gewohnten Problemlösungsmethoden bewältigen kann. Geschäftsführerin Dina Nachbaur meint dazu: „Es ist daher eine Selbstverständlichkeit für uns am Opfer-Notruf 0800 112 112, dass in dieser fordernden Situation nicht nur Verbrechensopfer, sondern alle, die sich einsam, verzweifelt oder belastet fühlen, anrufen können. Wir geben unser Bestes, dass Anrufende sich nach dem Gespräch besser fühlen. Damit wollen wir einen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise leisten.“
Die besondere Fürsorge des WEISSEN RINGS gilt natürlich denjenigen, die bei uns in Beratung und Betreuung sind. Zahlreiche Opfer von Straftaten warten auf Verhandlungen bei Gericht und auf entsprechende Entscheidungen. Diese Zeiten der Ungewissheit sind immer belastend, das wissen wir aus den Erfahrungen der Prozessbegleitung. Jetzt sind aber so viele unbekannte Faktoren im Spiel, dass selbst die Profis nicht wissen, wie es weitergehen wird. So ist beispielsweise für Ende April ausnahmsweise eine Verhandlung geplant. Das ist notwendig, weil der Angeklagte in Untersuchungshaft ist. Da stellen sich ganz neue Fragen: Werden wir Schutzmasken tragen müssen? Wo können wir warten? Wie sollen wir es schaffen, die fünf geladenen Opferzeug*innen optimal zu begleiten? Dürfen diese überhaupt eine Vertrauensperson mitbringen?
„Wir wissen nicht alle Antworten. Aber wir können dabei helfen, Unsicherheiten und Ungewissheiten auszuhalten. Damit bewältigen wir gemeinsam jede Situation“, ist sich die psychosoziale Prozessbegleiterin Brigitte Weber, Klinische- und Gesundheitspsychologin sicher.
Die Mitarbeiter*innen des WEISSEN RINGS bilden sich laufend fort. Viele verfügen über eine Zusatzausbildung in Krisenintervention, die sich immer wieder bezahlt macht. Und selbstverständlich werden zu jeder Tages- und Nachtzeit am Opfer-Notruf 0800 112 112 dieselben professionellen Leistungen angeboten. Die Zeitressourcen, die im Moment frei sind weil keine Gerichtsverhandlungen stattfinden, nutzen die Kolleg*innen für eine interne Online-Fortbildung zu Opferrechten.
Das Team
Noch nie war das Wiedersehen der Teamkolleg*innen so schön, wie bei der ersten Videokonferenz! Es war auch ein süßer Sieg über die Technik und über das „social distancing“. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari meint: „Ich würde sagen, viele Maßnahmen werden nie verschwinden, auch wenn die Krise vorbei ist“.
Davon sind wir auch überzeugt, die Kolleg*innen aus den Bundesländern wollen wir auch in Zukunft öfter zumindest auf dem Bildschirm sehen!
Home-Office und Home-Schooling
Und selbstverständlich arbeiten wir so viel wie möglich von zuhause: Wir telefonieren, kommunizieren, rechnen, schreiben, denken… an Schreibtischen, Esstischen, auf dem Balkon, auf der Couch, im Stockbett („Da ist der Empfang am besten!!“).
Und viele von uns unterrichten, unterhalten und erziehen ihre Kinder im gleichen Setting. Was dabei herauskommen kann: Eine Kollegin unterhält sich mit einer anderen über ein Strafverfahren, das nach einer DIVERSION eingestellt worden ist. Das Opfer hat leider keinen Schadenersatz bekommen und konnte sich zur diversionellen Erledigung auch nicht äußern.
Nachdem die Kolleginnen die Handlungsmöglichkeiten durchdiskutiert haben, erkundigt sich die eine noch, wie es mit dem „Schulerfolg“ des Kindes der anderen läuft. „Er ist so super, heute hat er in einer halben Stunde 40 DIVERSIONEN geschafft!“ Eigentlich waren ja DIVISIONEN gemeint. Der Kleine ist Volksschüler und nicht Staatsanwalt.
Wir hoffen einmal, dass sich bei den Gerichten die Arbeit nicht so sehr staut, dass es zu ähnlichen Erledigungszahlen kommt!