VOR Band 11 – Hilfe und Unterstützung für Terroropfer

Publikation / Vergangene Woche übergab Geschäftsführerin Natascha Smertnig im Rahmen einer Veranstaltung im Sozialministerium die druckfrische Publikation mit dem Titel „Hilfe und Unterstützung für Terroropfer“ an Sektionschef Martin Zach, der das Buch in Vertretung von Sozialminister Johannes Rauch entgegennahm.

Namhafte Autoren und Autorinnen, von denen einige auch an dem Termin teilnahmen, haben mit ihrem Know-How und ihren Texten dazu beigetragen, das Buch zu einer interessanten Lektüre und einem echten Zeitdokument zu machen. Sozialminister Johannes Rauch stellte das Geleitwort zur Verfügung. Als Herausgeber:innen agierten Präsidiumsmitglied Lyane Sautner und Ehrenpräsident Udo Jesionek.

Warum ein Buch über Terroropfer?

„Die Idee zu diesem Buch ist im Eindruck des Terroranschlags von Wien am 2. November 2020 entstanden, der zu einer tiefgreifenden Erschütterung der Gesellschaft führte und viele Opfer hinterlassen hat“, führte Natascha Smertnig in ihrer Rede aus. „Er hat gezeigt, wie verletzlich die Gesellschaft gegenüber derartigen Angriffen ist.“

Der Terroranschlag von Wien am 2. November 2020 hat gezeigt, wie verletzlich die Gesellschaft gegenüber derartigen Angriffen ist.

Seit der „Wiederentdeckung des Verbrechensopfers“ in den 1970-er und 1980-er Jahren hat die Wissenschaft viele verschiedene Aspekte betreffend Opfer aufgegriffen und untersucht, darunter Themen wie die Schonung besonders vulnerabler Opfergruppen im Strafprozess, die Opferentschädigung mittels Tatausgleich und im Zuge der Diversion bis hin zu der Frage, ob das Strafrecht neben der General- und Spezialprävention nicht auch dazu dient, die legitimen Interessen der individuellen Opfer zu fördern.

Zahlreiche Gesetzesänderungen verhalfen Opfern in verschiedenen Rechtsmaterien zu mehr Rechten. So wurden im Bereich des Sozialrechts die Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) stetig ausgebaut. Im Strafprozess verfügen Opfer seit Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes 2008 über eine neue Position. Das Opfer ist Verfahrenssubjekt – früher hätte man gesagt, es ist Prozesspartei.

Darüber hinaus fanden verschiedene Opfergruppen sowohl in der wissenschaftlichen Debatte als auch in den gesetzlichen Regelungen besondere Beachtung: etwa Opfer häuslicher Gewalt, Opfer von Sexualdelikten, minderjährige Opfer und Opfer von Hass im Netz. Eine Gruppe, die kaum behandelt wurde, sind Opfer von Terroranschlägen – eine ganz besondere Gruppe der Opfer situativer Gewalt!

Umfassender Blick auf ein schwieriges Thema

Der nun vorliegende Band zu Hilfe und Unterstützung für Terroropfer leistet einen wichtigen Beitrag, um diese Forschungslücke zu schließen. Er setzt dazu drei Schwerpunkte:

  • Die rechtlichen Grundlagen in EU-Opferschutz-Richtlinie, EU-Richtlinie Terrorismusbekämpfung und im österreichischen Straf- und Strafprozessrecht werden beleuchtet.
  • Bestehende Möglichkeiten der staatlichen Entschädigung für Terroropfer werden dargestellt.
  • Ein Erfahrungsbericht des WEISSEN RINGS zeigt, wie es gelingen kann, Terroropfer zu unterstützen, aber auch welche Herausforderungen dabei bestehen.

Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes sind allesamt anerkannte Expert:innen in ihrem Fach.

(1) Rechtliche Grundlagen

Albin Dearing behandelt dazu „Begriff und Stellung des Opfers nach den Richtlinien der EU zu Opferrechten und Terrorismusbekämpfung“. Er legt unter anderem dar, dass der Opferbegriff im Unionsrecht verschiedene Anknüpfungen hat und welche Konsequenzen es für den Strafprozess hat, das Opfer als in seinen Rechten und seiner Würde verletzte Person zu begreifen. Lyane Sautner untersucht den „Status von Terroropfern im österreichischen Strafprozess“. Sie beleuchtet dazu, wie das Phänomen „Terror“ rechtlich zu fassen ist, welche von Terror betroffene Personen das österreichische Strafprozessrecht als Opfer erfasst und welche Rechte diese haben.

(2) Bestehende Möglichkeiten der staatlichen Entschädigung

Der Entschädigung von Terroropfern kommt eine zentrale Bedeutung zu. Neben der Linderung des individuellen Leides liegt darin nämlich auch eine symbolische Antwort des Rechtsstaates auf die Verneinung seiner Grundwerte durch einen terroristischen Anschlag. Michael Kilchling zeigt in seinem grundlegenden Beitrag „verschiedene Zugänge zur staatlichen Entschädigung von Terroropfern“ auf. Näher ausgeführt werden sodann die Entschädigungsmodelle in Spanien und Italien, zwei Ländern, die lange Erfahrung mit Terrorismus und seinen Opfern haben. So behandelt Enara Garro Carrera „die Entschädigung und Unterstützung von Terroropfern in Spanien“. Margareth Helfer sowie Roberto Wenin haben einen Beitrag verfasst zu den „Opfern von Terrorismus in Italien: von der Bekämpfung des Terrorismus zur Entschädigung des Opfers“. Diese Kapitel bilden einen interessanten Rahmen für den Beitrag von Wolfgang Sicka zu „Hilfe für Terroropfer nach dem VOG. Status quo und Novellierungsbedarf“. In bewährter Weise – Wolfgang Sicka ist mehrfacher Autor der Reihe „Viktimologie und Opferrechte“ – entfaltet er die österreichische Rechtslage und zeigt auf, an welchen Stellen Verbesserungsbedarf besteht.

Eine Fragestellung, die sich aus der spezifischen Vorgeschichte des Anschlags von Wien 2020 ergibt, behandeln Lukas Bittighofer und Norbert Wess in dem Kapitel „Amtshaftungsansprüche gegenüber der Republik Österreich im Zusammenhang mit dem Terroranschlag vom 2. November 2020 in Wien?“. Hintergrund dieses Beitrags ist ein mögliches Behördenversagen im Zusammenhang mit dem Terroranschlag. Die Autoren sind Rechtsvertreter der Mutter eines getöteten Opfers in einem Amtshaftungsverfahren. Dieser Beitrag unterstreicht die Aktualität des Bandes, hat doch jüngst der OGH in ihrem Sinne entschieden und den Weg zum Schadenersatz auch in solchen Fällen eröffnet.

(3) Erfahrungsbericht des WEISSEN RINGS

Dieses Kapitel zeigt einerseits wie es gelingen kann, Terroropfer zu unterstützen, lässt andererseits aber auch erkennen, welche Herausforderungen dabei bestehen. Udo Jesionek, Brigitta Pongratz und Natascha Smertnig geben einen Einblick in „die Arbeit mit Terroropfern aus der Sicht des WEISSEN RINGS“. Der WEISSE RING hat den Opfern des Terroranschlags auf verschiedenste Weise Hilfe geleistet, unter anderem durch die Abwicklung des Terroropfer-Fonds der österreichischen Bundesregierung. Die Erfahrungen, die dadurch gewonnen werden konnten, sind wertvolle Wegweiser für weitere Verbesserungen der Situation von Terroropfern.

Neugierig geworden?

Das Buch ist beim Studienverlag erschienen und kann sowohl dort als auch über den Buchhandel bezogen werden. Es wurde mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz finanziert.

Titelfoto: Caroline Kerschbaumer (WEISSER RING), Lukas Bittighofer (Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH), Angela Ponomariov, Gerhard Jelinek, Martin Prinz (WEISSER RING), Martin Zach (BMSGPK), Wolfgang Sicka, Natascha Smertnig, Heidrun Reiter (WEISSER RING), Romana Brait, Charlotte Cerny, Anastacia Grochowski (BMSGPK), Mario Thurner, Ninel Jasmine Sadjadi (CLC)

Fotorechte: Leandra Schurz

07/2024

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