Forderungen und Schwerpunkte

Die Geschichte des WEISSEN RINGS ist eng verwoben mit der Entwicklung von Opferrechten und deren gesetzlicher Verankerung. Ihre Weiterentwicklung und Durchsetzung sind zentrale Elemente der Arbeit des WEISSEN RINGS. Viele Forderungen, die der WEISSE RING seit seiner Gründung im Jahr 1978 gestellt hat, sind inzwischen selbstverständlicher Bestandteil der Rechtsordnung und der Arbeit mit Verbrechensopfern.

Der WEISSE RING legt den Schwerpunkt seiner Arbeit auf das Thema Opferhilfe. Denn auch wenn sowohl in der Judikatur als auch in der öffentlichen Diskussion viel öfter von Opferschutz als von Opferhilfe die Rede ist, ist eines klar: Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor Gewalt. Der englische Begriff „victim support“ umfasst sowohl den Opferschutz als auch die Opferhilfe und beschreibt umfassend, was gebraucht wird, um Opfer entsprechend unterstützen zu können bzw. wie vermieden werden kann, dass man Opfer wird.

Aktuell liegen fünf zentrale Forderungen auf dem Tisch, die von vier Schwerpunkt-Themen ergänzt werden.

Fünf zentrale Forderungen des WEISSEN RINGS

Aktuell müssen Betroffene von situativer Gewalt – wenn also außer der Tat keine Beziehung zwischen Täter:in und Opfer besteht – von sich aus die zuständige Opferhilfe-Einrichtung kontaktieren, um Unterstützung zu erhalten. Das erschwert deren Zugang zum Recht und verhindert ihn manchmal sogar.

Das Verbrechensopfergesetz hat seit seiner ersten Fassung im Jahr 1972 eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Dennoch gibt es aktuell Entwicklungsbedarf zu folgenden Themen:

Aufnahme zusätzlicher Opfergruppen in den Geltungsbereich des Gesetzes wie beispielsweise Opfer terroristischer Straftaten oder Opfer von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung auch ohne Körperverletzung. Auch der zu eng gefasste Angehörigenbegriff sollte erweitert werden.

Ausweitung und Erhöhung der finanziellen Leistungen: Zu den notwendigen zusätzlichen Leistungen zählt beispielsweise der Ersatz der Kosten für Tatortreinigung oder für einen Wechsel der Türschlosses. Die Höhe der bestehenden Leistungen ist nicht mehr zeitgemäß und eine Valorisierung unbedingt erforderlich, da die Pauschalbeträge zuletzt 2013 erhöht wurden.

Weitere Maßnahmen ergeben sich aus den Lücken, die sich in der täglichen Arbeit mit Opfern schwerer Straftaten zeigen. Ein Beispiel dafür sind die fehlenden Auffangregelungen für Opfer mit ausländischer Versicherung hinsichtlich Ersatz der Kosten der Psychotherapie.

Die EU-Opferschutz-Richtlinie stellt ein zentrales Rahmenwerk dar, das von den Mitgliedstaaten bis zum 16. November 2015 in nationales Recht umzusetzen war. Im Rahmen der EU-Projekte VOCIARE und BeneVict, an denen der WEISSE RING mitarbeitete, wurde diese Umsetzung evaluiert. Derzeit wird an einer Aktualisierung der Richtlinie gearbeitet, um Lücken zu schließen.

Auch wenn die Umsetzung der EU-Opferschutz-Richtlinie in Österreich durchaus positiv beurteilt werden kann, besteht zu einigen Punkten Verbesserungsbedarf. So bleibt beispielsweise vielen Betroffenen aufgrund mangelnder Informationen der Zugang zum Recht verwehrt (Art 8).

Zeitgerechte, schonend und professionell durchgeführte Sicherung von Beweisen hat nach Gewalttaten große Bedeutung. Denn nur so ist sicher gestellt, dass nicht Aussage gegen Aussage steht sondern für mögliche spätere rechtliche Schritte Fakten zur Verfügung stehen.

Daher müssen bundesweit, flächendeckend und ausreichend Gewaltambulanzen zur Verfügung stehen.

Die Arbeit, die der WEISSE RING als allgemeine Opferhilfe-Einrichtung für die Republik Österreich übernimmt, muss finanziell abgesichert sein und im Sinne der Betroffenen auch langfristige Planung ermöglichen.

Weitere Themenschwerpunkte

Die Gesetze rund um Internetkriminalität müssen regelmäßig und rasch evaluiert und den Entwicklungen und Realitäten der Internet-Nutzung angepasst werden.

Auch am Arbeitsplatz findet situative Gewalt statt. Menschen werden in Ausübung ihres Berufes Opfer von Gewalt durch Kund:innen. Betroffene berichten von einer Zunahme der Gewalt, angefangen von Beschimpfungen, über die gefährliche Drohung, sexistische oder rassistische Herabwürdigungen bis hin zu körperlicher Gewalt und Raubüberfällen. Hier braucht es flächendeckende professionelle Beratung und Begleitung der Betroffenen sowie systematische Dokumentation.

Bei Straftaten, die mit bzw. aufgrund eines besonderen Vorurteilsmotivs begangen werden, gelten Betroffene per Gesetz als „besonders schutzbedürftig“. Damit Vorurteilsmotive in der Praxis auch wirklich erkannt werden braucht es Sensibilisierung und Trainings.

Eine langjährige Forderung des WEISSEN RING u.a. als Partner im Netzwerk Hate Crime Kontern wurde endlich umgesetzt: Das Erkennen und Erfassen von Vorurteilsmotiven bei Anzeigenerstattungen ist seit 2020 bei der Polizei fixer Bestandteil.

Als allgemeine Opferhilfe-Einrichtung betreut der WEISSE RING erfolgreich einerseits Polizeibeamt:innen, die Opfer von Gewalt im Rahmen ihrer Arbeit wurden, und andererseits Personen, die von Gewalt durch Polizeibeamt:innen betroffen sind.

Eine wichtige Forderung des WEISSEN RING wurde 2024 mit der Einrichtung der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (EBM) umgesetzt. Der WEISSE RING ist mit den Präsidiumsmitgliedern Martin Prinz (Mitglied) und Lyane Sautner (Ersatzmitglied) im Beirat der EBM vertreten.

Weiterführende Links

2024 / 08

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