Handeln statt Gaffen!

Teamcourage – von Prävention über Zivilcourage bis Opferhilfe

Das war der Titel der Gewalttagung 2025, die von der Gewerkschaft vida veranstaltet wurde. Mit an Bord waren WEISSER RING, gpa, GÖD, ÖGB und Arbeiterkammer Wien.

Der Andrang spiegelte die Relevanz und Dringlichkeit des Themas „Gewalt am Arbeitsplatz“ wieder. Die mögliche Teilnehmer:innenzahl war erstmals bereits Wochen vor der Veranstaltung erreicht. Insgesamt waren mehr als 300 Personen für die Vorträge und Diskussionen versammelt.

Natascha Smertnig, Geschäftsführerin WEISSER RING: „Ich freue mich sehr, dass wir wieder Teil dieser wichtigen Veranstaltung sein dürfen. Uns verbindet eine jahrelange, sehr gute Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft vida, für die wir sehr dankbar sind. Menschen können überall Gewalt erfahren – auch am Arbeitsplatz. Deshalb ist diese Kooperation wesentlich, damit Betroffene die potenziell traumatisierende Erfahrung gut verarbeiten können.“
Gewalt am Arbeitsplatz ist eines der Schwerpunktthemen des WEISSEN RINGS in der Betreuung von Opfern situativer Gewalt. Jährlich finden rund 100 Betroffene den Weg zum WEISSEN RING.

Verantwortung und Hilfe

Wichtiger Bestandteil der Reden im Zuge der Veranstaltung war der Verweis auf die Verantwortung der Arbeitgeber:innen, die z.B. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl erwähnte. Diese Verantwortung spiegelt sich auch im Abkommen 190 der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) wieder, das Arbeitgeber:innen verpflichtet, ein Arbeitsumfeld frei von Gewalt und Belästigung zu schaffen. Dazu gehören Maßnahmen zur Prävention und zum Schutz der Arbeitnehmer:innen genauso wie die Dokumentation und Meldung von Vorfällen. Das Abkommen wurde in Österreich im September 2024 ratifiziert. Johanna Klösch von der Arbeiterkammer erwähnte zum Status Quo, dass in einer Unternehmer:innen-Umfrage 55 % der Arbeitgeber:innen angegeben haben, dass es keine Szenarien gibt, wie mit Übergriffen auf Mitarbeiter:innen umgegangen wird.

Was die Meldung von Übergriffen betrifft, merkte Key-Note-Speaker Holger Pressel vom AOK Baden-Württemberg einen besorgniserregenden Grund für unterlassene Meldungen an. Viele Betroffene denken, dass sich durch eine Meldung nichts ändern wird und dass sie ohnehin nicht ernst genommen werden. Hier sahen die Sprecher:innen sowohl Arbeitgeber:innen als auch Betriebsrät:innen und Kolleg:innen als mögliche Anlaufstellen, die mit ihrem Verhalten dazu beitragen können, dass Gewalt am Arbeitsplatz ernst genug genommen wird. Betroffene können auch immer an Opferhilfe-Einrichtungen wie den WEISSEN RING verwiesen werden, um die nötige Unterstützung zu erhalten.

Gewalt geht alle an

Zivilcourage wurde folgerichtig unter der Prämisse der Verantwortung aller diskutiert. Caroline Kerschbaumer, Leiterin des Fachbereichs Opferrechte beim WEISSEN RING, leitete am Nachmittag einen Workshop zum Thema. Betroffene sollen nicht das Gefühl haben, mit dem Erlebten allein zu bleiben. Dazu gibt es auch Möglichkeiten der Nachsorge, wenn es trotz aller präventiven Maßnahmen zum Übergriff gekommen ist.

Natascha Smertnig merkte dazu an, dass Schutz nicht immer möglich ist, Hilfe jedoch schon. Betroffene brauchen oft Wochen nach einem Gewalterlebnis Unterstützung, weil sie erst nach und nach die Auswirkungen der Tat spüren. Dann ist es wichtig, dass sie zu einer Anlaufstelle wie dem WEISSEN RING finden, um das Erlebte hinter sich bringen zu können.

Ein Thema kristallisierte sich aus allen Wortmeldungen heraus: Gewalt ist nicht das Problem einzelner Betroffener, sondern ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das trotz seiner Alltäglichkeit nicht „normal“ werden darf. Um der viel zitierten Verrohung der Gesellschaft entgegen zu treten, braucht es die Zusammenarbeit und den Mut aller.

Hier finden Sie die Nachberichterstattung der Gewerkschaft vida.

Titelfoto: Marion Kaiser, Natascha Smertnig und Brigitta Pongratz vom WEISSEN RING bei der Veranstaltung (© für alle Fotos: ÖGB/Roland de Roo)

03/2025

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