Hassverbrechen – Tag der Kriminalitätsopfer 2017

„Wenn aus Hass Verbrechen werden“ Wirksame Maßnahmen gegen Hasskriminalität

Was ist der „Tag der Kriminalitätsopfer“?

In einigen europäischen Ländern wird der 22. Februar alljährlich von Opferhilfeorganisationen als „Tag der Kriminalitätsopfer“ begangen, um auf die persönliche, wirtschaftliche und rechtliche Situation der durch strafbare Handlungen geschädigten Menschen aufmerksam zu machen.

Initiator war der damalige Leiter der schwedischen Opferhilfe Björn Lagerbag, der in Erinnerung an die Ermordung von Ministerpräsident Olof Palme 1986 den 22. Februar als Opfertag vorschlug.

Der europäische Dachverband der Opferhilfeeinrichtungen „Victim Support Europe“ plant in Kooperation mit der EU, den Opfertag europaweit zu institutionalisieren.

Am 22. Februar 2011 wurde in Österreich erstmals der „Tag der Kriminalitätsopfer“ begangen. Die damalige Innenministerin Dr. Maria Fekter hat die Anregung des WEISSEN RINGES aufgenommen, diesen Tag künftig alljährlich im Bundesministerium für Inneres zu veranstalten. Diese Initiative wurde von Innenministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner fortgeführt.

Der „Tag der Kriminalitätsopfer“ ist jeweils aktuellen relevanten Themen gewidmet:

  • 2011 stand der Opfertag anlässlich des „Europäischen Jahres der Freiwilligenarbeit“ im Zeichen jener Vereine mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Österreich, die Opfer unterstützen.
  • 2012 gab der „Vorschlag für die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Mindeststandards für die Rechte und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie für die Opferhilfe“ den thematischen Rahmen.
  • 2013 stand die besondere Opfergruppe der Seniorinnen und Senioren im Mittelpunkt.
  • 2014 standen die Betroffenen, die nicht unmittelbar zum Opfer der Straftat geworden sind, aber in den meisten Fällen nicht weniger traumatisiert sind, im Mittelpunkt des „Tages der Kriminalitätsopfer“.
  • 2015 widmete sich der Kriminalitätsopfer-Tag den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die von Straftaten im öffentlichen Raum betroffen sind.
  • 2016 stand der Tag der Kriminalitätsopfer im Zeichen von Gewalt am Arbeitsplatz – einem vielfach unterschätzten Problem, das durch Vernetzungsarbeit für die Betroffenen entscheidend verbessert werden kann.
  • 2017 wird das aktuelle Thema Hate Crime bzw. Hate Speech unter Gruppen von Betroffenen- sowie Expertinnen und Experten diskutiert und gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Warum das Thema Hassverbrechen?

Angriffe gegen Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge, Menschen mit Beeinträchtigungen, Angehörige bestimmter Religionen, Obdachlose, Schwule, Lesben, Transgender-Personen, Hass-Postings im Internet, Shit-Storms gegen Frauen – weltweit steigen rassistisch, antisemitisch oder ausländerfeindlich motivierte Straftaten dramatisch an. In Österreich verzeichnet der Verfassungsschutz einen Anstieg von als „Hassverbrechen“ registrierten Straftaten im Jahr 2015 gegenüber 2014 um 51,1%!

Hasskriminalität sind sogenannte „Botschaftsverbrechen“. Neben den oft gravierenden persönlichen Folgen für die Opfer (physische, psychische und materielle) sind Hassverbrechen immer auch Angriffe auf die pluralistische Gesellschaft, den Rechtsstaat und die Menschenrechte. Sie treffen uns alle. Deshalb dürfen Hassverbrechen nicht toleriert werden, sondern brauchen im Gegenteil ein besonders deutliches Zeichen der Ablehnung und ein „Zero-Tolerance“-Signal von Seiten der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Institutionen.

Hasskriminalität ist kein Bereich der Kriminalität, gegen den eine Institution alleine erfolgreich vorgehen kann. Vielmehr braucht es tragfähige Partnerschaften und Kooperationen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den gesellschaftlichen Gruppierungen, die von Hasskriminalität verstärkt betroffen sind, wie Religionsgemeinschaften oder Interessensvertretungen, aber auch Organisationen, die sich gegen Diskriminierungen einsetzen. Die Tagung soll ein Beitrag zum gegenseitigen Kennenlernen sein, aber auch der Auftakt, starke Allianzen zu bilden, um gemeinsam gegen Hasskriminalität tätig zu werden.

Gemeinsam erreichen wollen wir:
  • Erhöhung des Problembewusstseins für die spezielle Problematik
  • Erhöhung des Schutzes für die Opfer von Hasskriminalität
  • Stärkung der Kooperation zwischen Strafverfolgungsbehörden und NGOs
  • Anerkennung der „besonderen Schutzbedürftigkeit“ von Opfern von Hasskriminalität und Umsetzung entsprechender Maßnahmen
  • Verbesserung der rechtlichen Stellung von Opfern von Hasskriminalität
  • Informationsplattform für Opfer von Hasskriminalität

 

Erforderliche Maßnahmen gegen Hasskriminalität aus der Sicht des WEISSEN RINGES
  • Hasskriminalität muss sichtbar gemacht werden

Bislang gibt es keine Möglichkeit, Hasskriminalität in der Kriminalstatistik zu erfassen oder Fälle von Hasskriminalität sofort als solche zu erkennen. Voraussetzung dafür ist, dass ein eigener Straftatbestand geschaffen wird.

  • Opfer von Hasskriminalität müssen ex lege als „besonders schutzbedürftig“ anerkannt werden
  • 66 a StGB nennt Opfergruppen, die ohne weitere Begutachtung als „besonders schutzbedürftig“ anerkannt werden. Mit dieser Anerkennung verbunden sind umfassende Schonungsrechte im Strafverfahren, etwa das Recht, nicht in unmittelbarer Gegenwart des/der Angeklagten aussagen zu müssen.

Die psychischen Belastungen, denen ein Opfer von Hasskriminalität im Strafverfahren ausgesetzt sein kann, rechtfertigen eine Anerkennung als „besonders schutzbedürftig“. Auch die EU-Opferschutz-Richtlinie 2012/29/EU, zu deren Umsetzung Österreich verpflichtet ist, nennt Opfer von Hasskriminalität ausdrücklich als Gruppe mit besonderen Schutzbedürfnissen.

  • Trainings für Strafverfolgungsbehörden/Kooperation mit Opferhilfe-Einrichtungen

Meist sind es Strafverfolgungsbehörden und insbesondere die Polizei, die als erste Kontakt zu Opfern von Hasskriminalität haben. Es ist wichtig, dass sie so früh wie möglich die Qualität der Straftat erkennen und Unterstützung für die Betroffenen organisieren.

In einem zweiten Schritt braucht es gute Kooperation zwischen Polizei, Opferhilfe und Staatsanwaltschaft. Die Schaffung von Sonderzuständigkeiten bei den Staatsanwaltschaften ist ein wichtiger Schritt. Zusätzlich sollten gemeinsame Trainings von Exekutive, Justiz und Opferhilfe-Einrichtungen angedacht werden.

Vorträge

Mag. Peter Gridling,

Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, BMI

Es gibt eine klare Grenze zwischen Meinungsfreiheit und strafbaren Äußerungen, die offenbar vielen Menschen nicht bewusst ist. Wir sehen, dass diese Grenze oft in der virtuellen Welt überschritten wird und sogar Straftaten in der Realität zur Folge haben kann. Deshalb ist es notwendig und wichtig, den Hass im Netz nicht nur als Verrohung der Sprache abzutun, sondern ihn als Teil des Phänomens der Polarisierung und gefährlichen Beeinflussung der Gesellschaft zu sehen. Deshalb müssen sich alle Akteure einer Sache klar sein: Maßnahmen gegen Hasskriminalität können nur dann wirken, wenn alle mitmachen und kooperieren. Ein Gegensteuern wird nur gelingen, wenn wir darüber Einvernehmen erzielen und ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz verfolgt wird.

Mag.a Muna Duzdar

Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung

Aggressive Postings, Cybermobbing und Hass im Netz nehmen seit einiger Zeit in den Social Media Netzwerken stark zu und überschreiten dabei oftmals die Grenzen der Meinungsfreiheit. In der Bevölkerung wird damit ein Gefühl der Angst und der Verunsicherung geschürt. Die Initiative #GegenHassimNetz soll über Hasspostings aufklären und Stellung beziehen. Hasspostings sind keine Kleinigkeit. Sie gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und können bei den betroffenen Personen schwere Folgen haben.

Neben den politischen Maßnahmen wie der Meldestelle, den zusätzlichen Sonderstaatsanwälten, sowie den digital Messenger und diversen Leitfäden erhöhen wir auch den Druck auf die Plattformbetreiber. Es ist alarmierend, dass etwa Youtube, Twitter und Facebook beim Löschen von Hasspostings in Österreich besonders säumig sind. Während in einem EU-weiten Vergleich etwa 40 Prozent in der selbstauferlegten Frist von 24 Stunden gelöscht werden, sind es in Österreich je nach Plattform höchstens 20 Prozent der gemeldeten Postings, Kommentare oder Videos. Das geht aus den veröffentlichten Zahlen des Vereins Zara – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit zum Löschverhalten bei Hasspostings hervor. Hier muss es schnellstens zu einer Verbesserung kommen. Auch wenn sich Facebook an nationale Gesetzgebungen orientiert, so verstoßen gewaltverherrlichende Inhalte auch gegen die Gemeinschaftsstandards. Hier gilt es auch als Privatunternehmen konsequent dagegen vorzugehen. Wir haben mit der Initiative die Erfahrung gemacht, dass die Hassposter selbst schwer zu überzeugen sind. Aber es sind die Menschen, die mitlesen, die sich dann Gedanken machen, die selbst beginnen zu recherchieren. Und es geht um die Menschen, die dagegen halten. „Jeder kann Opfer werden. Niemand soll es bleiben.“ Dieser Spruch könnte genauso gut der Slogan der #GegenHassimNetz-Initiative sein. Am schlimmsten ist es, wenn der Hass im Netz jene trifft, die sich nicht wehren können. Jene, die keinen Zugang zu Wissen haben, die sich nicht trauen oder nicht die nötige Unterstützung bekommen. Der Weisse Ring leistet einen enormen Beitrag in der Unterstützung der Opfer von Hasskriminalität. Mit der Regierungsinitiative #GegenHassimNetz, die ich koordiniere, habe ich bereits das breite Angebot des Weissen Ringes besser kennengelernt. Solche Maßnahmen, wie etwa der Opfer-Notruf, sind vorbildhaft und werden auch von Seiten des BKA immer wieder hervorgehoben.

MMag.a Dr.in Sophie Karmasin

Bundesministerin für Familien und Jugend

Das Bundesministerium für Familien und Jugend unterstützt zahlreiche Präventionsmaßnahmen und Projekte, die besonders junge Menschen für Hasskriminalität und Diskriminierung im Netz, aber auch abseits des Internets sensibilisieren sollen. Es ist mir wichtig, dass junge Menschen einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet lernen und sie darin zu bestärken, gegen Diskriminierung aufzutreten und sich für Menschenrechte zu engagieren.

Durch die Vermittlung digitaler Kompetenzen leistet die Initiative „saferinternet.at“ einen wichtigen Beitrag im Praxisbereich und bietet darüber hinaus auch Unterstützung und Ratschläge, wie man als Betroffener mit Angriffen im Netz umgeht. Eine wesentliche Rolle in der Sensibilisierung der Jugendlichen nimmt auch die außerschulische Jugendarbeit ein, die verstärkt auf „digitale Jugendarbeit“ und den Einsatz neuer Medien setzt. Auch die Forschung liefert uns Ansatzpunkte zur Bekämpfung von Hass im Internet: Um die Wirkungsweisen und Mechanismen zu verstehen, hat das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie mit Unterstützung des „bundesweiten Netzwerks Offene Jugendarbeit“ ein entsprechendes Forschungsprogramm gestartet.

Im vergangenen Jahr wurde das österreichische „No Hate Speech“-Komitee bestehend aus Ministerien, Organisationen und NGOs mit dem Ziel gegründet, für das Thema Hassreden und Diskriminierung im Netz zu sensibilisieren, sowie Ursachen und Kontexte zu thematisieren. Besonders Jugendliche sollen in ihrem Einsatz für Demokratie gestärkt werden. Heute zählt das Komitee bereits über 25 Organisationen, das Bundesministerium für Familien und Jugend ist Mitglied erster Stunde. Mit dieser Initiative leistet Österreich einen wichtigen Beitrag zu der im Jahr 2013 vom Europarat initiierten „No Hate Speech“-Bewegung. Das Bundesministerium für Familien und Jugend konnte darüber hinaus durch den erfolgreichen Social-Media-Videowettbewerb #nohatespeech breite Aufmerksamkeit in der Bevölkerung für dieses wichtige Thema schaffen.

Nicht nur die gemeinsame Bekämpfung von Hasskriminalität ist entscheidend, sondern auch das Bewusstsein, den Opfern von Hassverbrechen und „Hate Crime“ mehr Schutz und eine starke Stimme zu verleihen.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter

Bundesminister für Justiz

Es gibt Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die niemand von uns haben will, bei denen wir uns aber alle schwer tun, etwas dagegen zu unternehmen. So macht es mich auch nachdenklich, dass ich bereits kurz nach meinem Amtsantritt 2014 einen Gipfel gegen Hass und Hetze veranstaltet  habe, mich die Entwicklungen seit dieser Ankündigung überholt, aber doch gleichzeitig auch bestätigt haben.

Ich habe damals angekündigt, „wer Hass und Gewalt sät, wird Gefängnis ernten.“ Die Zahlen der Anklagen und Verurteilungen seit der Änderung des Tatbestandes der Verhetzung durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 zeigen, dass wir die richtigen Maßnahmen ergriffen haben. Wir haben deutlich gemacht, worum es geht: Jede, wenn auch erschreckende Meinung ist hinzunehmen, nicht jedoch die Erscheinungsformen von hate speech und hate crime, die auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eine Pervertierung des Rechts auf frei Meinungsäußerung darstellen.

Ab 2017 gibt es bei den größeren Staatsanwaltschaften spezialisierte Referate, und ich freue mich, dass Frau Staatssekretärin Duzdar uns volle Unterstützung durch die Zuweisung von fünf neuen Planstellen für die Staatsanwaltschaften zugesichert hat.

Schnelle und einfache Lösungen zur Bekämpfung des Phänomens der Hasskriminalität sind nicht in Sicht, Strafrecht ist eine stumpfe Waffe, wenn es um die Vermeidung und Bekämpfung von fehlgeleiteter Überzeugung geht, aber natürlich müssen wir in einer demokratischen Gesellschaft auch Stärke in der Verteidigung unserer gemeinsamen Werte zeigen und jede rassistisch motivierte Gewalt sanktionieren.

Wie in allen Bereichen des Strafrechts trete ich allerdings auch dafür ein, dem Gedanken der Prävention einen hohen Stellenwert einzuräumen. Wir müssen ein Bewusstsein bilden, dass Hass und Hetze aus welchen Motiven immer einfach keinen Stellenwert in unserer Gesellschaft haben dürfen. Die Selbstverpflichtung sozialer Medien in anderen Bereichen, wie etwa der Kinderpornografie, sollte auch auf diesen Bereich ausgedehnt werden; es darf keinen Platz und keinen Schutz für Hass und Hetze geben!

Ich blicke erwartungsvoll auf die Ergebnisse des heutigen „Tages der Kriminalitätsopfer“, der sich völlig zu Recht auch der Betroffenheit der individuellen Opfer und der Gesellschaft insgesamt widmet.
Alois Stöger

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Jede Form von Gewalt – egal ob sie physisch oder psychisch ausgeübt wird – hinterlässt bleibende Spuren bei den Opfern. Deshalb ist es wichtig, unsere Gesellschaft für die unterschiedlichen Arten der Gewalt zu sensibilisieren und klare Grenzen zu ziehen. Der diesjährige Tag der Kriminalitätsopfer widmet sich dem Thema Hassverbrechen und verdeutlicht damit, dass die Bedeutung dieser Form der Gewaltausübung in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen ist. Sogenannte Hass-Postings, die in der Anonymität des Internets verbreitet werden, treffen einzelne Personen genauso wie sie ganze Gruppen treffen, die als anders wahrgenommen werden weil sie anders denken, anders leben oder anders aussehen. Dagegen muss sich unsere Gesellschaft wehren und dieser Form der Radikalisierung entschlossen entgegentreten.

Dazu gehört nicht nur Gewaltausübung konsequent zu verfolgen und zu ahnden, sondern auch, sich um die Opfer der Hasskriminalität zu kümmern. Daher bekennt sich die Bundesregierung zu der Aufgabe das Verbrechensopfergesetz 1972 (VOG) konsequent weiterzuentwickeln und damit allen Opfern Hilfe zukommen zu lassen. Grundsätzlich bietet das VOG Hilfe und Unterstützung, wenn man Opfer von Straftaten wurde, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bedroht sind. Um Verbrechensopfer bereits davor niederschwellige Hilfe zukommen zu lassen, wurde jedoch vergangenes Jahr mit einer Novelle die gesetzliche Grundlage geschaffen, die dem Sozialministerium die Förderung von Projekten ermöglicht, die der Beratung, Betreuung und Unterstützung von Verbrechensopfern dienen. Einrichtungen wie der Weisse Ring können sich durch diese Förderung bereits niederschwellig Verbrechensopfern annehmen und allen Betroffenen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

„Hass im Netz“ von Ingrid Brodnig

Hass im Netz hat viele Formen. Manche davon sind strafbar. Aufgrund meiner Recherchen als Journalistin und Buchautorin kenne ich viele davon. Neben gezieltem Cybermobbing, das oft persönlich motiviert ist, sind es vor allem Hasspostings gegen Andersdenkende oder bekannte Persönlichkeiten, mit Vorliebe gegen Frauen, politische Hetze und Lügengeschichten, gegen die wir gemeinsam vorgehen müssen. Dabei bin ich davon überzeugt, dass wir uns – weder als Gesellschaft noch als Einzelne – zum Opfer dieser Entwicklung machen lassen dürfen. Dass wir uns das Netz als freies Kommunikationsmedium zurückerobern und uns gegen Hass in jeder Form wehren müssen. Es gibt einen großen Graubereich von verletzenden Aussagen, die noch nicht strafrechtlich relevant, aber hässlich sind. Es gibt allerdings auch Aussagen, die eindeutig strafbar sind – und es geht darum, dass wir diese Form der Hasskriminalität ahnden. Wir können besser werden, klarzustellen, dass die Würde des Menschen auch im Internet unantastbar ist. Und wir brauchen einen Rechtsapparat, der Opfern von Drohungen oder Mobbing möglichst stark hilft. Es gibt aber auch für jeden Einzelnen von uns Möglichkeiten auf Hasspostings adäquat zu reagieren. Zum Beispiel indem man sich selbst nicht täuschen oder aufhetzen lässt. Wenn wir wissen, wie wir gezielt verbreitete, als „Nachrichten“ getarnte Lügengeschichten entlarven, wenn wir Mechanismen lernen, wie wir Hasspostings abwehren und Aggressorinnen und Aggressoren in ihre Schranken weisen können, dann kann das Netz wieder der offene Diskussionsraum werden, der es doch sein sollte.

Ingrid Brodnig ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazins Profil und Autorin. Von ihr erschien 2016 beim Verlag Brandstätter der Band „Hass im Netz. Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können“.

Hate Speech, Fake News & Co: Spiegel der Gesellschaft
Dr. Maximilian Sc
hubert, LL.M., Generalsekretär der ISPA

 Hassrede, Falschmeldungen oder Propaganda sind Probleme, die es schon lange vor der Entstehung des Internets gegeben hat. Generell ist deren Bekämpfung schwierig. Es handelt sich hier aber um Offline-Probleme, die sich durch die verstärkte Durchdringung aller Lebensbereiche mit dem Internet nun auch auf die digitale Sphäre verlagert haben und online sichtbar werden. Das Internet an sich ist ein neutrales Medium, das zahllose Vorteile bringt, es wird jedoch von einer kleinen Gruppe von Menschen für negative Zwecke missbraucht. Provider können bei der Bekämpfung dieser Probleme unterstützend tätig sein – was sie auch jetzt schon nach Möglichkeit tun, aber alleine lösen können sie diese definitiv nicht. Hierfür braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Einen essenziellen Punkt stellt dabei die Bildung dar, allerdings nicht auf Kindergärten und Schulen beschränkt: Informationsarbeit muss vielmehr in der gesamten Gesellschaft passieren.

Tag der Kriminalitätsopfer 2017

von Lilian Levai, ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit

ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA) betreibt seit dem Jahr 2000 eine Beratungsstelle für Opfer und Zeug*innen rassistischer Vorfälle. Im Zuge der Beratungen bekommen Klient*innen oftmals die erste Möglichkeit, über ihre Diskriminierungserfahrungen zu sprechen, diese aufzuarbeiten und, wenn gewünscht, mit Unterstützung der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und Zeug*innen von Rassismus (rechtliche) Schritte zu setzen. Rassistische Diskriminierungen, die von Beschimpfungen über Benachteiligungen in der Arbeitswelt, beim Zugang zu Dienstleistungen bis hin zu physischen Übergriffen reichen, werden immer noch viel zu oft als „Kavaliersdelikt“ angesehen. Hier bietet die ZARA-Beratungsstelle in ihrer Funktion als Melde- und Anlaufstelle wichtige Unterstützung für Betroffene rassistischer Vorfälle und somit auch von Hassverbrechen. Die Dokumentation und Erfahrung der Beratungsstelle mit Hate-Crime-Fällen bringt ZARA regelmäßig in diverse internationale Projekte ein und trägt auch zu Berichten wie etwa dem jährlichen ODIHR Hate Crime Report bei.

ZARA hat bei der konkreten Unterstützung von Personen, die mit Hasskriminalität konfrontiert sind, mit einigen Hindernissen zu kämpfen. So findet etwa die psychische Belastung von Opfern alltäglicher, aber die Grenze der strafrechtlichen Relevanz nicht überschreitender Übergriffe (z. B. Belästigungen und Bedrohungen) weder in gesetzlichen Bestimmungen noch in einigen, sehr engen Definitionen von Hate Crime ausreichend Berücksichtigung.

Zusätzlich mangelt es nach wie vor an der nötigen Sensibilisierung von Exekutive und Justiz. Aktuell scheint es in vielen Fällen im Verfahren keine angemessene Berücksichtigung der spezifischen Auswirkungen von Hate Crimes auf Betroffene zu geben.

Lilian Levai ist juristische Beraterin bei der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und Zeug*innen von Rassismus (www.zara.or.at).

Rechte und Hilfe für Opfer von Hasskriminalität

von Barbara Unterlerchner

Betroffene von Hass- und Vorurteilskriminalität sind keine Zufallsopfer. Sie werden angegriffen und verletzt, weil sie auf Grund von tatsächlichen oder fiktiven Merkmalen als „die Anderen“ gelten. Sie werden Opfer, weil die Mehrheitsgesellschaft über die alleinige Definitionsmacht verfügt und entscheidet, wer innerhalb und wer außerhalb gesellschaftlicher Normen steht. Personen, die auf Grund eines realen oder zugeschriebenen Merkmals zu Opfer werden, sind besonders vulnerabel und schutzbedürftig. Die ständige Angst vor erneuter Viktimisierung und das Signal, unerwünscht und verachtet zu werden, sind zusätzliche Belastungsfaktoren, die nicht nur langfristige Folgen für die Opfer und deren Familien verursachen. Hass- und Vorurteilskriminalität richtet sich gegen Einzelpersonen, Gruppen, Unterstützungseinrichtungen, aber auch gegen die pluralistische Gesellschaft und hart erkämpfte Wertehaltungen und Grundrechte.

Opferhilfeeinrichtungen unterstützen Betroffene von Hass-und Vorurteilskriminalität dabei, die ihnen zustehenden Rechte geltend zu machen und eine weitere Opferwerdung durch Sozialinstanzen zu verhindern. Opfer von Hasskriminalität haben ähnliche Bedürfnisse, wie Opfer von sonstigen Straftaten. Sie wollen Anerkennung für das erlittene Unrecht und Respekt, sie wollen Wiedergutmachung, Schutz vor weiteren Übergriffen, Sicherheit im Umgang mit dem Netz und eine schonende Behandlung durch Strafverfolgungsbehörden und ihres sozialen Umfeldes. Was sie vor allem brauchen sind Information über rechtliche und praktische Möglichkeiten nach der Tat sowie umfassende Unterstützung bei der Bewältigung allfälliger Gerichtsverfahren. Der österreichische Strafprozess enthält eine Reihe von Opferrechten, die diese Bedürfnisse potenziell verwirklichen sollen. Dennoch braucht der Kampf gegen Hass- und Vorurteilskriminalität mehr als einen guten Rechtsrahmen. Es braucht Solidarität mit den Opfern und das Bewusstsein darüber, dass diese Form von Kriminalität Potenzial hat, die Grundfesten unseres friedlichen Zusammenlebens zu erschüttern, das sich dadurch auszeichnet, dass jeder Mensch frei und gleich an Würde und Rechten geboren ist.

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