ZARA und WEISSER RING fordern Maßnahmen gegen hate crime.
Opferschutzeinrichtungen schlagen Alarm: Es existiert viel zu wenig Sensibilität für vorurteilsmotivierte Straftaten.
Hohe Dunkelziffer durch „underreporting“ wegen mangelndem Bewusstsein bei Behörden, Gerichten sowie Betroffenen.
Am Europäischen Tag der Kriminalitätsopfer ging es ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit und dem WEISSER RING Verbrechensopferhilfe darum, aufzuzeigen, dass in ganz Europa Nachholbedarf bei der Bekämpfung von hate crime besteht. In einer gemeinsamen Videobotschaft formulierten die europäischen Partner*innen des Projekts V-START – Victim Support Through Awareness-Raising and neTworking (Österreich, Italien, Deutschland & Kroatien) Empfehlungen für einen geschärften Blick auf Hasskriminalität und einen angemessenen Schutz für Opfer davon.
Die EU Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU) zählt Opfer von Straftaten mit Vorurteilsmotiv – hate crime – zum besonders schutzbedürftigen Personenkreis. Um aber tatsächlichen Schutz zu bekommen, muss die Tatsache, dass ein hate crime vorliegt, zuerst erkannt, erhoben, dokumentiert und festgestellt werden. Dies ist sehr häufig noch nicht der Fall.
Dieter Schindlauer, ZARA, dazu: „Im österreichischen System der Strafverfolgung wird der Aspekt von vorurteilsmotivierten Straftaten leider kaum je aufgegriffen. Das hat zur Folge, dass vielen Opfern ihre besonderen Rechte nach der Opferschutzrichtlinie vorenthalten werden. Damit wird auch verschleiert, in welchem Ausmaß Vorurteilsmotive Schaden und Leid verursachen. Auch Präventionsmaßnahmen könnten bewusster gesteuert werden, wenn wir es mit einer akkuraten Datenlage zu tun hätten.“
Dina Nachbaur, WEISSER RING, hält fest: „Opferrechte sind in Österreich sehr gut im Strafverfahren verankert. Leider wissen viele Betroffene darüber nicht ausreichend Bescheid. Sobald sich bei der Anzeigenerstattung der Verdacht ergibt, es könnte sich um eine vorurteilsmotivierte Straftat handeln, sollte eine unterstützende Einrichtung eingeschalten werden. Darüber hinaus sollten besonders schutzbedürftige Opfer von Hassverbrechen Anspruch auf Prozessbegleitung haben. Das würde den Betroffenen mehr Mut und Hoffnung geben, um überhaupt Anzeige zu erstatten.“
Um hate crime sichtbar zu machen sowie effektiv und präventiv entgegenzutreten, hat ZARA, im Rahmen des EU-Projekts V-START, mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen das Netzwerk Hate Crime kontern ins Leben gerufen und wesentliche Empfehlungen formuliert.
Dieter
Schindlauer führt aus, warum diese Sichtbarkeit notwendig ist: „Es
ist wichtig, sich klarzumachen, dass Hassverbrechen Verbrechen sind,
die ohne ausufernde Vorurteile nicht passiert wären. Darauf muss der
Umgang sowohl mit Täter*innen als auch mit Opfern von solchen
Verbrechen während des gesamten Verfahrens angepasst werden. Opfer
brauchen besonderen Schutz und Täter*innen müssen gezielt von
Wiederholungstaten abgehalten werden.“
Drei wesentliche Empfehlungen von ZARA und WEISSEM RING:
- Die Polizei sollte für Anzeigen von Straftaten Formulare verwenden, die das Vorliegen von Vorurteilsmotiven abfragen. Diese einfache Maßnahme würde sicherstellen, dass der Aspekt routinemäßig beachtet wird.
- Gerichte sollten potenzielle Vorurteilsmotive nicht nur am Schluss der Verhandlung, bei der Strafzumessung, berücksichtigen, sondern während des gesamten Strafverfahrens darauf eingehen, damit Opferrechte angemessen gewährleistet sind und das Bewusstsein für die spezifischen Gefahren von hate crime geschärft wird.
- Die diversen Einrichtungen der Zivilgesellschaft werden aufgerufen, sich mit dem Phänomen hate crime vermehrt auseinanderzusetzen, um sicherzugehen, dass adäquate Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene getroffen werden.
Der WEISSE RING arbeitete im Rahmen des EU-Projekts „Hate no more – training and awareness raising to combat hate crime and hate speech“ zwischen 2016 und 2018 intensiv zum Thema hate crime. Im Rahmen eines opferzentrierten Ansatzes wurden multidisziplinäre Methoden zur Sensibilisierung und Fortbildung zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Hassrede erarbeitet. Zentrale Ergebnisse sind umfassende Schulungsunterlagen, auf deren Basis Mitarbeiter*innen von Strafverfolgungsbehörden und Opferhilfe-Einrichtungen auf die Arbeit mit Opfern von hate crime vorbereitet werden sowie ein diesbezügliches Handbuch. Insgesamt haben im Jahr 2018 bereits rund 200 Personen die elf vom WEISSEN RING angebotenen Trainings durchlaufen.
Außerdem wurde gemeinsam mit sieben Partner*innen unter der Federführung der portugiesischen Vereinigung für Opferhilfe APAV eine internationale Kampagne mit dem Titel #RespectBattles entwickelt.