Der internationale Frauentag am 8. März ist alljährlich Anlass zum Innehalten und Nachdenken. Die Opfer von Gewalt mit ihren Bedürfnissen und Interessen stehen das ganze Jahr über im Zentrum der Arbeit des WEISSEN RINGS. Dieser Tag lädt dazu ein, ganz besonders die Situation von Frauen zu hinterfragen. Wie sehr sind sie gefährdet? Wie kann Gewalt verhindert, was kann für die Opfer getan werden? Wie geht es weiblichen Opfern situativer Gewalt?
Gewalt gegen Frauen in Österreich – ein paar Fakten
Eine im Jahr 2022 von der Statistik Austria herausgegebene Prävalenzstudie „Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Österreich“ liefert eine Vielfalt aussagekräftiger Zahlen. Es geht um Gewalt in intimen Partnerschaften, außerhalb derselben, zu Stalking, sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und zur Gewalt in der Kindheit. Grundlage ist eine im Jahr 2021 durchgeführte repräsentative Befragung von 6.240 in Österreich lebenden Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren.
Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache. So haben insgesamt 26,61 % aller befragten Frauen seit ihrem 15. Geburtstag eine Form von körperlicher Gewalt und / oder sexueller Gewalt (inklusive Vergewaltigung) außerhalb von intimen Beziehungen erlebt. Rechnet man das hoch auf die Grundgesamtheit aller Frauen zwischen 18 und 74 Jahren, dann sind das 863.505 in Österreich lebende Frauen, die im Lauf ihres Lebens Opfer situativer Gewalt geworden sind. Richtet man die Aufmerksamkeit auf das, was innerhalb von intimen Beziehungen passiert, dann haben 16,41 % der Frauen zwischen 18 und 74 Jahren, die in einer intimen Beziehung gelebt haben, dort zumindest einmal körperliche und / oder sexuelle Gewalt erlebt.
Es werden also mehr Frauen im Lauf ihres Lebens Opfer von situativer Gewalt als von Gewalt im persönlichen Nahbereich. Oder anders formuliert: Es ist für eine Frau wahrscheinlicher, dass sie Gewalt im öffentlichen Raum erlebt als dass sie Opfer von Gewalt innerhalb einer intimen Beziehung wird.
Stalking haben 22 % der befragten Frauen im Laufe ihres Lebens mindestens ein Mal erlebt. Interessant ist dabei, dass rund die Hälfte aller betroffenen Frauen von ihnen unbekannten Personen gestalkt wurden. In rund 19 % der Fälle war der / die Stalkende ein aktueller oder früherer Partner bzw. eine aktuelle oder frühere Partnerin. D.h. im Umkehrschluss, dass in 81 % der Stalking-Fälle nie eine intime Beziehung zwischen Täter:in und Opfer bestanden hatte.
Mehr als ein Viertel aller Frauen – nämlich 27 % – gaben an, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt zu haben. Als Täterperson traten dabei vorwiegend Männer in Erscheinung (96,83 %). In 44,14 % der Fälle war es ein Kollege oder eine Kollegin, in 42,82 % erfuhren die Betroffenen die sexuelle Belästigung durch Kunden und Kundinnen.
Gewalt gegen Frauen im Netz
Frauenfeindlichkeit ist laut einem aktuellen Bericht der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) die meistverbreitete Form von Hate Speech. Gewalt gegen Frauen* im Netz reicht von Beschimpfungen, Falschinformationen, sexueller Belästigung bis hin zu Mord- oder Vergewaltigungsdrohungen.
In der Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“ aus Deutschland wird anhand von Zahlen und Fakten deutlich: Auch online ist geschlechtsspezifische Gewalt präsent. 20% aller jungen Frauen* geben an, im Netz sexuell belästigt worden zu sein. Ungefragt Nacktfotos haben bereits 42% der befragten Frauen* erhalten.
Was uns die Zahlen zeigen
Frauen werden wesentlich öfter Opfer situativer Gewalt – erleben also Gewalt von einer Person, zu der sie keine Beziehung haben – als es in der medialen Berichterstattung manchmal den Eindruck macht. So erlebt jede vierte Frau im Lauf ihres Erwachsenenlebens außerhalb ihrer intimen Beziehung Gewalt, jede zehnte Frau wird zumindest einmal im Leben von einem / einer Unbekannten gestalkt. Jede vierte Frau erlebt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Herkömmliche Opferschutzkonzepte wie Betretungsverbote und Wegweisungen oder Unterbringung des Opfers in einer speziellen Schutzeinrichtung greifen hier nicht. Vielmehr geht es sehr oft darum, den oder die Täter:innen erst einmal ausfindig zu machen, was sehr lange dauern kann und immer wieder auch gar nicht gelingt. Opferhilfe hingegen wirkt auch in dieser Situation. Sie bietet Dinge wie die Beratung nach dem Verbrechensopfergesetz, finanzielle Unterstützung bei durch die Tat ausgelösten finanziellen Problemen oder auch Gespräche zur Einordnung des Geschehenen und der Planung der nächsten Schritte.
Leider fehlt es aber nach wie vor an Information und damit am Zugang zur Opferhilfe. Passiert die Gewalt im persönlichen Nahbereich, dann werden die Kontaktdaten der Opfer automatisch an die zuständige Opferhilfe-Einrichtung, das Gewaltschutzzentrum, weitergeleitet und die Betroffenen können von dort kontaktiert werden. Dieses proaktive Zugehen auf die Opfer ist bei situativer Gewalt unmöglich. Denn es gibt keine Weitergabe von Daten an die Opferhilfe-Einrichtung. Eine entsprechende Regelung fehlt leider nach wie vor.
Der Internationale Frauentag – eine Chronologie
Im Jahr 1910 beschließen im Rahmen der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz auf Initiative der deutschen Sozialistin Klara Zetkin 17 Länder die Einführung eines internationalen Frauentags. Die Hauptziele sind zu dieser Zeit Wahlrecht und Gleichberechtigung für Frauen.
Ein Jahr später findet der erste Frauentag in Österreich-Ungarn, Deutschland, Dänemark und der Schweiz statt – damals noch am 19. März. In den Jahren darauf schließen sich auch andere Länder an. Während der russischen Revolution und aufgrund der damals noch in Verwendung befindlichen unterschiedlichen Kalender wird schließlich der 8. März zum internationalen Frauentag.
1975 beginnt die UNO im Rahmen des Internationalen Jahrs der Frau, den 8. März als Internationalen Frauentag zu begehen. Die Formalisierung in der UNO-Generalversammlung folgt zwei Jahre danach.
Mehr zur Geschichte des Internationalen Frauentags gibt’s auf der Website der Vereinten Nationen (Text auf Englisch) sowie auf der Website der Stadt Wien.