22.2.2021 – Tag der Kriminalitätsopfer / Univ.-Prof. Dr. Thomas Wenzel, Medizinische Universität Wien, zeigt Symptomatik und Prävalenz der Traumatisierung von Kriminalitätsopfern und ihre Bedeutung für die Wahrnehmung von Opferrechten.
Das Wissen um die Tatsache, dass schwerwiegende Belastungserfahrungen, insbesondere schwere Verbrechen, sexuelle Gewalt und Missbrauch auch bei psychologisch widerstandsfähigen Opfern zu schweren psychologischen Langzeitfolgen führen können, hat sich in den letzten Jahrzehnten erst langsam durchgesetzt. Sie ist wissenschaftlich seit dem Vietnamkrieg durch eine Flut von seriösen wissenschaftlichen Publikationen und die Aufnahme entsprechender Diagnosekategorien in die Standardhandbücher der Weltgesundheitsorganisation abgesichert.
Neben spezifischen Erkrankungen, die nur nach schwereren Belastungen als direkte Folge auftreten, wie der posttraumatischen Belastungsstörung, treten auch andere Erkrankungen wie schwere depressive Zustandsbilder, häufig auf. In der Beobachtung der Expert*innengruppe des WEISSEN RINGS werden trotzdem noch heute solche Traumafolgestörungen im Gerichtsverfahren immer wieder infrage gestellt oder offensichtliche Zusammenhänge mit bestimmten Ereignissen negiert, was das psychische Leiden der Opfer verstärken und zu einer Retraumatisierung führen kann.
Obwohl eine Rahmendirektive der EU ausdrücklich die Bedeutung des Schutzes von Verbrechensopfern im Verfahren betont, besteht aus unserer Sicht weiterhin ein deutlicher Nachholbedarf. Ein sensiblerer und kompetenter Umgang mit psychologisch traumatisierten Verbrechensopfern und verbesserte Möglichkeiten des Zugangs zu Gerechtigkeit und Entschädigung sind notwendig.
Wir empfehlen daher
- die Implementierung von entsprechenden Standards, die auch beispielsweise die Begutachtung betreffen und in anderen Ländern üblich sind, und
- die vermehrte Unterstützung auch neuerer juristischer Modelle, wie bei schweren Menschenrechtsverletzungen dem UN Istanbulprotokoll, der Universal Jurisdiction (Weltrechtspflege), und
- die Unterstützung von Verbrechensopfern im europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder bei internationalen Strafgerichtshöfen
die dabei helfen, auch in komplexen Situationen Opfer nachhaltig zu unterstützen.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Wenzel, Medizinische Universität Wien